Eine Brücke zwischen „Überfluss“ und „Mangel“ – Die Tafel-Idee
Angesichts hoher Inflationsrate, steigender Energie- und Lebensmittelpreise als sekundäre Folgen des Ukrainekriegs, wächst die Armutsbedrohung im Land, besonders für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Und in den Tafeln zeigt sich diese Entwicklung, wie in einem Brennglas, wie dieses Beispiel aus Heidenheim, stellvertretend für die 16 Tafel- bzw. CariSatt-Standorte des DiCV Rottenburg-Stuttgart, zeigt.
Mehr als der Verkauf von Äpfeln, Brot und Butter
Der "W52" der Caritas Ost-Württemberg
Er ist längst eine feste Institution im Herzen Heidenheims: Der Tafelladen mit dem ungewöhnlichen Namen "W52". Die Wilhelmstraße Hausnummer 52 ist für viele Menschen in der Brenzstadt und ihrer Umgebung zu einer Einrichtung geworden, die bei immer schmalerem Haushalsbudget unerlässlich geworden ist:
W52 ist eine von rund 960 Tafeln in Deutschland und versorgt regelmäßig etwa 2.000 Menschen. Die Zahl der regelmäßigen Kundinnen und Kunden hat sich seit Jahresbeginn und dem Ukraine-Krieg verdoppelt. Waren es bisher noch 300 Ausweise, die die Mitarbeitenden des Tafelladens ausgestellt haben, so sind es jetzt 600. Immer mehr Menschen brauchen die Tafel, um sich mit dem Notwendigsten eindecken zu können.
Ein doppeltes Dilemma bringt die Tafeln in diesem Jahr an ihre Grenzen: Die Lebensmittel werden für alle teurer und viele überlegen sich inzwischen, ob sie weiter wie bisher die eine Packung Nudeln mehr einkaufen, um sie dann der Tafel zu spenden. Das zweite Dilemma trifft jene Menschen, die sich bislang gerade noch so den wöchentlichen Einkauf im Supermarkt leisten konnten. Die 20 Euro, die dieser inzwischen aber mehr kostet, sind für diese Menschen schlicht nicht mehr drin. Mit anderen Worten: Die Lebensmittelspenden werden weniger, die Kund*innen im Tafelladen dagegen mehr.
Der Caritas - Tafelladen arbeitet weiter. Er bekommt Spenden von Service-Clubs, von Firmen, von Menschen, denen es nicht egal ist, dass die Schlange der Kund*innen, die vor dem W52 warten, immer länger wird. Besonders gebraucht werden immer Obst und Gemüse, Kühlwaren, Wurstaufschnitt, aber auch haltbare Lebensmittel. Die 80 bis 100 Personen, die täglich den "W52" besuchen, sind dankbar für alles, was in den Regalen liegt.
Im Gegensatz zu anderen Tafeln hat die Heidenheimer Ausgabe nie aufgehört, Ausweise auszustellen. Ein kleiner fester Stamm von Mitarbeiter*innen und ein großer Kreis Ehrenamtlicher sind jeden Tag damit beschäftigt, die Regale zu bestücken, zu sortieren, das Angebot so gut es geht, aufrechtzuerhalten. In den Ferien ist die Arbeitsbelastung zwar hoch, aber dennoch ist es allen Mitarbeitenden wichtig, die geregelten Öffnungszeiten beizubehalten.
Denn: Für die Seniorin, den arbeitslosen Mitfünfziger oder die jugendliche Arbeitslose bedeutet der Laden in der Wilhelmstraße oft mehr als ein Laden, an dem man sich mit Äpfeln, Brot und Butter versorgen kann. W52 ist auch Treffpunkt - ein Ort, wo man einander aus der Warteschlange kennt, wo man sich gegenseitig nichts (mehr) vormachen muss und darum "ehrlich" begegnen, Probleme austauschen, Sorgen teilen oder auch einfach mal miteinander quatschen kann.