"Zweite Hand - erste Wahl." - Die FairKauf Idee
Etwa sieben Millionen Tonnen Möbel werden in Deutschland jährlich aussortiert. Als Sperrmüll landen rund 95 Prozent davon in Müllverbrennungsanlagen oder auf der Deponie. Nur fünf Prozent der veralteten Einrichtung werden weiterverwendet.
95 Kleidungsstücke besitzt jede erwachsene Person in Deutschland laut einer repräsentativen Umfrage von Greenpeace aus dem Jahr 2015, Unterwäsche und Socken nicht mitgerechnet. Das macht 5,2 Milliarden Teile in Deutschland und nährt eine schmutzige Industrie: Die Modebranche verantwortet laut Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) weltweit rund zehn Prozent aller Kohlenstoff-Emissionen - mehr als internationaler Flugverkehr und Seeschifffahrt zusammen.
Rund eine Milliarde Kleidungsstücke verstauben laut Greenpeace in Deutschland ungenutzt im Schrank und werden so gut wie nie getragen. Jede*r fünfte Befragte sortiert Kleidung nur dann aus, wenn sie kaputt ist oder nicht mehr passt - meistens jedoch entscheidet der Geschmack, der neueste Trend. Doch wohin mit der alten Winterjacke, wenn sie plötzlich die falsche Farbe hat?
Die Sensibilität der Menschen für ökologische Themen wächst. Viele wissen und gestehen es (auch sich selber) ein, dass Sie zu viel wegwerfen, konsumieren und zu viel CO2 verbrauchen. Es herrscht eine gewisse Bewusstheit für Reduktion, auch wenn für eine entsprechend konsequente Handlungs-, Konsum und Lebensweise noch Luft nach oben ist. Dennoch scheint die Bereitschaft zu zunehmen, Keller und Kleiderschränke auszumisten - ohne sie sogleich wieder mit neuem zu füllen. "Frei zu sein bedeutet, wenig zu haben". Oder: "simplify your life" sind die (nicht ganz neuen) Botschaften einschlägiger Ratgeber, die bei immer mehr Menschen immer mehr Gehör finden.
Und wenn man sich schon mal zum Ausmisten durchgerungen hat, dann - so belegen Untersuchungen - will man die aussortierten Kleider, Möbel und Gegenstände des täglichen Lebens, dennoch nicht einfach wegwerfen, sondern sie lieber guten Gewissens an einer Stelle abgeben, wo sie noch einen "gemeinwohlorientierten Zweck" erfüllen können. Die FAIRKAUF -Läden der Caritas sind eine solche Stelle. Zwei Beispiele aus zwei Regionen, in ganz unterschiedlicher Größenordnung und Ausprägung, aber einem gemeinsamen Anliegen verbunden: einen Beitrag zu sozialer, ökologischer und bei näherem Hinsehen auch ökonomischer Nachhaltigkeit zu leisten.
Ein gemeinwohlorientierter und der Nachhaltigkeit verpflichteter Player
Die FAIRKAUF-Center der Caritas Bodensee-Oberschwaben
Die Caritas Bodensee-Oberschwaben unterhält in Weingarten und in Friedrichshafen zwei große FAIRKAUF Gebrauchtwaren-Kaufhäuser mit einer großen Auswahl an gespendeten und gut erhaltenen Waren: Möbel, Haushaltswaren, Bücher, Kleidung, Accessoires … Statt einfach weggeworfen und vernichtet worden zu sein, haben diese Waren alle die Chance auf einen neuen "Lebenszyklus".
Die FAIRKAUF Gebrauchtwaren-Kaufhäuser sind inklusiv. Sie stehen allen Bürgerinnen und Bürgern offen und ermöglichen allen Kund*innen einen kostengünstigen Einkauf, unabhängig von deren sozialen oder wirtschaftlichen Hintergrund. Der Verkaufswert der Gebrauchtwaren liegt bei 60 bis 90 Prozent unter dem Neuwarenwert. Das bedeutet für Käufer*innen eine enorme Kostenersparnis gegenüber Neuanschaffungen - die sich viele Menschen gleich gar nicht leisten könnten.
Das gilt in besonderer Weise auch für die an die beiden FAIRKAUF-Center angegliederten passenden Dienstleistungsangebote, wie zum Beispiel Transporthilfen, Haushaltsauflösungen oder Entrümpelungen, die von allen Bürgerinnen und Bürger genutzt werden können, unabhängig von ihrem sozialen oder wirtschaftlichen Hintergrund.
Ein solidarischer Aspekt wird greifbar bei der Idee der Flohmärkte, die FAIRKAUF zumeist einmal im Monat - mit großem Engagement auch von Ehrenamtlichen - veranstaltet. Der Erlös aus dem Verkauf von Flohmarktartikeln fließt ausschließlich in die regionale Caritas-Arbeit und kann für Projekte und die Entwicklung von Angeboten eingesetzt werden, die sonst nicht möglich wären, weil sie nicht finanziert werden könnten.
Neben langfristigen Projekten und Angeboten (dazu gehört zum Beispiel in Weingarten der Tafelladen CariSatt oder das Angebot eines günstigen Mittagstisches CariSina), können mit den erwirtschafteten Erlösen nicht zuletzt auch immer wieder Einzelpersonen in schwierigen Situationen unbürokratisch finanziell unterstützt werden.
Eine zentrale Säule in beiden FAIRKAUF-Centern sind die Beschäftigungsangebote für langzeitarbeitslose Menschen. Sie bieten mit dem Dienst Fair-Job-Pool eine Möglichkeit der Beschäftigung unter Anleitung und mit sozialarbeiterischer Begleitung. Dies, verbunden mit der Unterstützung bei Bewerbungen, erhöht die Chancen auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.
24 der insgesamt 27 mit Fair-Job-Pool im Landkreis Ravensburg unterhaltenen Stellen sind im FAIRKAUF-Center in Weingarten in den verschiedenen Bereichen angesiedelt: im Verkauf oder Büro im Kaufhaus, in den Dienstleistungsabteilungen Abholung/Anliefertung, sowie Entrümpelungen und Transporthilfen, sowie im Tafelladen CariSATT und im Begegnungscafé CariSINA.
nachhaltig - ehrenamtlich - gemeinnützig
Der FairKauf-Laden für Gebrauchtes der Caritas Schwarzwald-Gäu
In der Kepler-Stadt Weil der Stadt hat im April dieses Jahres ein kleiner, aber feiner "FairKauf-Laden" seine Türen geöffnet. Die Idee: Gut Erhaltenes weiter und länger verwenden. Dabei soll für jede*n ein günstiger Einkauf möglich sein. Mit rund 20 Ehrenamtlichen wird der FairKauf-Laden betrieben.
"Gerade in der jetzigen Zeit, wo die Wälder brennen und die Flüsse austrocknen, ist das Thema Nachhaltigkeit aktueller denn je. Bei dem Ausmaß der Krise weiß man oft nicht wo man anfangen soll. Für manche Menschen ist der Anfang jedoch klar: beim Wesentlichen. Dies hat sich eine Gruppe von Engagierten aus Weil der Stadt gedacht und gemeinsam in der Trägerschaft der Caritas Schwarzwald Gäu das nachhaltige Projekt "Fairkauf - Laden für Gebrauchtes" gestartet.
Begonnen hat alles mit dem Entsetzen über unsere aktuelle Wegwerfgesellschaft, die oftmals lieber Neues konsumiert, anstatt noch gut erhaltene "schon mal geliebte" Gegenstände wieder oder weiter zu benutzen. Schnell war klar, dass ein Beitrag in Sachen "Nachhaltigkeit" geleistet werden muss, und zwar indem auf eine besondere Art ein Raum für die Auseinandersetzung mit dem Ökologiethema geschaffen wird. Die 25 Engagierten suchten gemeinsam mit der Caritas nach geeigneten Räumlichkeiten, um Gebrauchtes anzunehmen, bei Bedarf wieder auf Vordermann zu bringen und es wieder Menschen zur Verfügung stellen zu können, die sich womöglich Neues gar nicht leisten könnten. Zugleich war ihnen wichtig, mit dieser Idee darauf aufmerksam zu machen, wie viel von dem, was aussortiert und weggeworfen wird, gut noch sehr viel länger verwendet werden könnte.
Die Suche nach Finanziers für das Vorhaben gestaltete sich allerdings als eine kleine Herausforderung. Schließlich ließen sich aber die örtlichen Kirchengemeinden überzeugen und erklärten sich bereit, das sozial-ökologische Projekt finanziell zu unterstützen. Als Stadt, der vor Jahren das Label "Fairtrade town" verliehen wurde, unterstützte Weil der Stadt dabei, das Thema vor Ort präsent zu platzieren.
Nachdem endlich eine passende Räumlichkeit für den Gebrauchtwarenladen gefunden war, musste ordentlich Hand angelegt werden, um den Laden einladend und freundlich zu gestalten. Dabei haben die 25 Engagierten fast ausschließlich ihre eigene Kraft und Zeit investiert, um den "Fairkauf" attraktiv für jedermann -und frau auszugestalten. Zahlreiche Umbaumaterialien und Möbel wurden ebenfalls aus zweiter Hand verwendet. Somit ist nicht nur der Warenbestand, also Kleidung für Klein und Groß, Hausrat, Spielsachen etc, wieder aufbereitet, sondern auch die Ladenräumlichkeiten selber.
Seit der Eröffnung des "Fairkauf" Anfang April 2022, hat sich der Laden in Weil der Stadt schon fest etabliert, wenn wir die zahlreichen Kund*innenbesuche betrachten. Regelmäßig erhält der "Fairkauf" Spenden von Menschen, die möchten, dass ihre "Schätze" weiterleben. Und ihr Anliegen erfüllt sich zumeist: die gespendeten Kinderwägen, Schüsseln, Pfannen, Hosen, Ketten, Tischdecken …finden schnell wieder neue glückliche Besitzer*innen.
Diese Erfahrung zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft als immer wichtiger betrachtet wird und wir sind froh, dass wir mit unserem Weil der Städter "Fairkauf" einen kleinen, aber wirksamen Beitrag dazu leisten können."
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