Heike und Michael Baier werden Eltern
"Wir wussten, dass es medizinische Schwierigkeiten gibt", sagt Heike Baier, "und dass die Chance, ein Kind zu bekommen, auch mit künstlicher Befruchtung gering ist." Das Ehepaar versuchte es trotzdem, achtmal, doch ihr Hoffen blieb vergebens.
Ende 2014 wurde es Zeit für Plan B, denn dass sich Heike und Michael Baier, die sich seit acht Jahren kennen, Kinder wünschen, war klar. Die damals 37-Jährige und ihr wenige Jahre älterer Mann erkundigten sich beim Jugendamt und wurden bitter enttäuscht. Sie seien zu alt, um ins Adoptionsverfahren zu starten, hieß es dort. Drei Monate knabberte das Paar an der Absage, dann klopfte es nervös beim Caritasverband in Stuttgart an. "Das war unsere letzte Chance", sagt Heike Baier leise. Und sie wurde erfüllt. "Bei der Caritas haben wir uns gut aufgenommen gefühlt", sagt Michael Baier dankbar, "hier wurde uns unsere Hoffnung nicht genommen."
"Mir hat die ganze Sache unheimlich zu schaffen gemacht", sagt Heike Baier. "Doch zum Glück hat mein optimistischer Mann mich durch diese Zeit getragen." Sie lächelt zu ihm hinüber und streicht zärtlich über die Wange ihrer kleinen Tochter, die im Tragetuch an ihrer Brust schlummert.
Heike und Michael Baier nahmen sich Zeit für die Fragebögen der Caritas, diskutierten einige Positionen und legten sie wieder weg. "Die Fragen sind nicht ohne", erinnern sie sich, "man muss sich schon sehr genau hinterfragen. Am Anfang waren wir geneigt, zu allem Ja zu sagen, weil wir uns mit aller Kraft ein Kind gewünscht haben, aber dann bemerkt man doch, dass es Einschränkungen gibt", gesteht Michael Baier. "Können Sie sich ein Kind vorstellen, das durch sexuellen Missbrauch oder Inzest entstanden ist?" "Würden Sie ein Kind mit einer geistigen Behinderung annehmen?" "Wie ist es, wenn die Mutter in der Schwangerschaft Drogen konsumiert hat?" - dies sind nur einige der Fragen, mit denen sich Adoptiveltern auseinander setzen müssen. "Es liegt ja schon eine eigene holprige Geschichte hinter uns und nun haben wir uns bei jeder Frage, die wir mit Nein beantwortet haben, gefragt, ob wir uns damit vielleicht unsere Chance verbauen", so die 40-Jährige. "Man fühlt sich schlecht, wenn man Menschen selektiert, aber wir müssen ja in der Lage sein, dem Kind gute Eltern zu sein."
"Wir waren in einem ständigen Stress- und Erwartungsmodus", gesteht der 43-Jährige, "bis wir nach eineinhalb Jahren erfahren haben, dass wir als Adoptiveltern aufgenommen wurden", er atmet tief aus, "Gott sei Dank."
Die Unsicherheit bestimmte ihren Alltag. Sollten sie sich einen Urlaub gönnen oder käme genau dann der Anruf, dass es ein Kind für sie gäbe? Sollten sie jetzt eine Immobilie erwerben? Die Stuttgarterin zuckt die Schultern. "Das kann einem niemand sagen." Ein Jahr verging, dann rief Sigrid Zwergal plötzlich an. Ein Strahlen breitet sich auf Heike Baiers Gesicht aus, wenn sie daran zurückdenkt. "Sie hat mir mitgeteilt, dass es eventuell eine Option gäbe", erzählt sie, "von da an konnte ich nicht mehr klar denken. Durch meinen Kopf sauste ein Bienenschwarm", meint sie lachend.
Die Sozialpädagogin berichtete ihr, dass in drei Wochen ein Kind geboren würde, in dessen Familie es genetische Vorerkrankungen gebe. Ob das Kind betroffen sei, wisse man jedoch bisher nicht. Heike und Michael Baier, die sich vorstellten konnten, ein Kind mit einer leichten Behinderung anzunehmen, entschieden sich, das Mädchen zu adoptieren. Allerdings gab es noch ein zweites Bewerberpaar. Wieder Hoffen und Bangen.
"Als die Caritas angerufen hat, konnte ich vor Aufregung kaum den Hörer halten", sagt Heike Baier, tiefe Erleichterung erfüllte sie, als sie erfuhr, dass sich die Beraterinnen für sie entschieden hatten. Doch der nächste Satz brachte ihre Welt schon wieder ins Wanken. "Frau Zwergal hat mich informiert, dass unsere Tochter an diesem Morgen bereits geboren wurde" - abends saßen Heike und Michael Baier im Auto, um ihre Tochter kennenzulernen. "Wir haben an einem Babyladen angehalten und eine Erstausstattung gekauft, per Internet haben wir im Auto alle möglichen Kinderklamotten bestellt und dann haben wir erstmal unsere Familie und unsere Arbeitgeber informiert, dass wir Eltern geworden sind", das Paar sieht sich an und lacht. "Die wussten ja von gar nichts."
"Im Krankenhaus wurden wir in einen Raum geführt, in dem zwei Bettchen standen. In einem davon lag unsere Tochter", sagt Michael Baier mit feuchten Augen, "das war Wahnsinn! Die ganze Situation war so unwirklich", fährt er fort, "wir sind in die Klinik gegangen und mit einem Kind wieder herausgekommen." Mit Lea in der nagelneuen Babyschale ging es zurück in die Heimat, "plötzlich waren wir für dieses Kind verantwortlich, wir konnten es nicht glauben", sagt Heike Baier lächelnd. Liebevoll legt sie ihre Tochter, die inzwischen aufgewacht ist, auf den dicken Teppich, auf dem sich das acht Monate alte Mädchen neugierig nach ihren Spielzeugen umsieht.
Andere beschäftigen sich neun Monate lang damit, wie sie ihr Kind nennen, bei Heike und Michael Baier dauerte es eine Autofahrt.
Da sich die leibliche Mutter für eine Inkognito-Adoption entschieden hat, wissen die Baiers kaum etwas über sie. Und doch hat Lea über die Caritas später die Möglichkeit, mehr zu erfahren.
Seit Beginn des Jahres ist Lea nun in "Adoptionspflege" bei Heike und Michael Baier. Für das Paar in vielen Momenten "ein emotionaler Ausnahmezustand". Sechs Wochen dauerte es, bis sie endlich die Geburtsurkunde in den Händen hielten - erst dann war es ihnen möglich, Elterngeld zu beantragen und andere bürokratische Dinge zu regeln. Nach neun Wochen erfuhren sie dann, dass Leas Eltern ihre Tochter freigegeben haben. Die Freude des Ehepaares war "unendlich", doch gleichzeitig waren sie in Gedanken bei Leas Eltern: "Mensch. Was für eine Entscheidung."
Etwa ein Jahr lang währt nun die Adoptionspflegezeit - der Vormund des Jugendamtes kommt alle vier Wochen vorbei und macht sich ein Bild von Leas Entwicklung und vom Umgang, den ihre Eltern mit ihr pflegen. "Das ist immer mit Aufregung verbunden", geben die beiden zu. Beim Gerichtstermin folgt der Richter dann in der Regel den Empfehlungen von Caritas und Jugendamt und wenn alles gut geht, sind wir nächstes Jahr ganz offiziell Leas Familie", erklärt Michael Baier seufzend und blickt mit leuchtenden Augen zu seiner Tochter. "Endlich". Die vergangenen Jahre waren anstrengend", sagt Heike Baier, "doch seit Lea bei uns ist", sie lacht, "sind alle Mühen und Sorgen wie weggewischt." "Für uns ist Lea das Wunder unseres Lebens und wir können immer noch kaum glauben, dass wir das große Glück haben, ihre Eltern zu sein", sagt Michael Baier stolz.